Demenz-Thriller

Walter Sittler über seine Rolle in "Tödliche Schatten": "Es ist eine Freude, so etwas zu spielen"

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von teleschau - Stefanie Moissl

Walter Sittler beim Deutschen Fernsehpreis. Als brillianter und dickköpfiger LKA-Beamter Philip Nabrow ermittelt er am Samstag im Ersten.

Bild: 2022 Getty Images/Andreas Rentz


Walter Sittler spielt im Polizei-Thriller "Tödliche Schatten" einen demenzkranken Kommissar, dem es immer schwerer fällt, zu funktionieren. Privat denkt der 72-Jährige keineswegs ans Aufhören. Im Interview spricht er über das Glück seiner Ehe, seine amerikanischen Wurzeln und darüber, was ein erfülltes Leben ausmacht.


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Er spielt den ersten demenzkranken Kommissar im deutschen Fernsehen

Nachdenklich und zugleich voller Tatendrang - so erlebt man Walter Sittler. Ein Gentleman-Darsteller, dessen Figuren immer auch etwas Vertrauenserweckendes ausstrahlen, selbst wenn sie gerade am Abgrund balancieren. So wie in seinem neuen Film "Tödliche Schatten": eine Mischung aus eindringlichem Demenz-Drama und packendem Polizei-Thriller. Fürs deutsche Fernsehen ist es eine Premiere - erstmals steht ein Kommissar im Mittelpunkt, der mit Demenz lebt.

Seit Jahrzehnten ist der Schauspieler dank Erfolgsreihen wie "Der Kommissar und das Meer", "Der Kommissar und der See" oder der 1990er-Kultserie "Nikola" auf dem Bildschirm präsent. Ruhestand ist offenbar nichts für den 72-Jährigen. Der in Chicago geborene Schauspieler und Filmproduzent fühlt sich innerlich noch immer wie 19.

Herr Sittler, nach Ihrem 70. Geburtstag hatten Sie angekündigt, ein wenig kürzerzutreten. Wie es aussieht, hat das auch 2025 noch nicht geklappt: Sie stehen nach wie vor regelmäßig vor der Kamera, dazu kommt Ihre Arbeit als Produzent von Dokumentarfilmen, Lesungen ...

Walter Sittler: Das stimmt. (lacht) Und es wird auch nicht ruhiger. Das Jahr ist proppenvoll. Vielleicht ab April 2026, mal sehen.

"Jungsein ist meine Rolle"

Über Ihr Alter sagten Sie anlässlich Ihres 70. Geburtstags, trotz der Sieben vorne würden Sie sich wie 19 fühlen. Verraten Sie Ihr Geheimnis, wie man so jung bleibt?

Sittler: Wahrscheinlich habe ich einfach Glück gehabt, das jüngste Kind von acht zu sein. Jungsein ist meine Rolle. Die kenne ich seit meiner Geburt. (lacht) Als Kind musste ich immer schauen, wo ich bleibe, immer auf dem Laufenden sein: Was ist links und rechts von mir los? Das ist mir geblieben.

Wie meinen Sie das?

Sittler: Ich hinterfrage gerne kritisch, was ich denke oder mache: Ist das noch gut? Was ist jetzt wichtig? So bleibt man wach. Natürlich ist mir bewusst, dass ich jetzt oft der Älteste am Set bin. (lacht) Aber auf keinen Fall will ich ein alter weißer Mann werden, der sagt: Früher war alles besser. Ich finde es spannend, was die jungen Leute machen. Trotzdem: 19 sein möchte ich auch nicht mehr. Wir müssen die jungen Leute so stark machen, wie es nur geht. Damit sie die Probleme lösen können, die auf sie zukommen. Die Probleme, die wir ihnen hinterlassen.

"Das mutige Drehbuch hat mich sofort begeistert"

Sie haben unermüdlich gedreht in den vergangenen Monaten. Unter anderem einen neuen "Der Kommissar und der See"-Film, der im November TV-Premiere hat. Und einen echten Ausnahmefilm, den einzige Krimi, der auf dem Münchner Filmfest gezeigt wurde: In "Tödliche Schatten" verkörpern Sie den ersten Kommissar mit Demenz im deutschen Fernsehen.

Sittler: Ja, das mutige Drehbuch hat mich sofort begeistert. Wenn man die Diagnose Demenz erhält, ist das erst mal das Ende der Welt. Das Ende des Lebens, wie es bisher war. Das wird im Film sehr nah an der Realität erzählt. Meine Figur Kommissar Nabrov will die Diagnose nicht akzeptieren, er verdrängt sie, denn sonst kann er seinen Fall nicht lösen. Das Menschliche in dieser Reaktion und zugleich, dass jemand so radikal und rücksichtslos sich selbst gegenüber ist, hat mich sehr fasziniert.

Das Ende des Films deutet darauf hin, dass man durchaus gewillt ist, eine Fortsetzung zu drehen.

Sittler: Man will sehr gerne. Ich auch. Es ist eine Freude, so etwas zu spielen. Aber natürlich müsste man einen weiteren Fall für Nabrov clever erzählen. Denn die Krankheit, die man ihm gegeben hat, ist ja fortschreitend. Schauen wir mal, wie die Zuschauer reagieren.

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"Ich hatte so viel Glück, in meinem Beruf und in meinem Leben, da kann ich gut und gerne etwas abgeben"

Auch abseits der Kamera sind Sie nach wie vor sehr engagiert, unter anderem für ein Kinderhospiz und viele andere Projekte. Geben ist Ihnen sehr wichtig ...

Sittler: Ich hatte so viel Glück, in meinem Beruf und in meinem Leben, da kann ich gut und gerne etwas abgeben. Geben ist nicht mühsam, sondern eine Art, leben zu wollen.

Wie meinen Sie das?

Sittler: Es spielt keine Rolle, ob man Politiker oder Taxifahrer ist. Auch wenn vielleicht nicht jeder den Mut hat aufzustehen und etwas zu sagen: Jeder hat eine Verantwortung, kann etwas beitragen. Wir haben in Deutschland Geld, ich denke, das ist nicht das Problem. Aber es befindet sich an Stellen, die nicht zugänglich sind. Wenn man jetzt anfängt, bei den sozial Schwachen, bei Schulen oder Krankenhäusern zu kürzen, dann geht das in die falsche Richtung. Es ist wichtig, jedem den Platz zuzugestehen.

"Ich habe keine Heimat in dem Sinn, wie meine Frau sie hat"

Sie sind in den USA geboren, kamen als Kind nach Deutschland und haben die doppelte Staatsbürgerschaft. Was bedeuten Ihnen Ihre amerikanischen Wurzeln?

Sittler: Ein Pass ist für mich ein Papier, eine staatliche Sache. Ich bin deutsch sozialisiert, zugleich habe ich keine Heimat in dem Sinn, wie meine Frau sie hat. Vielleicht bin ich dadurch gefeit vor Nationalismus. Die Vielfalt ist so fantastisch und so wichtig. In diesem Punkt waren die Dokumentarfilme, die wir gemacht haben, eine unglaubliche Lektion für mich.

"Wir nehmen uns selbst nicht so wichtig"

Sie und ihre Frau leben und arbeiten zusammen, sind seit 40 Jahren glücklich verheiratet. Wie schafft man das?

Sittler: Einer meiner Lieblingsautoren, Anton Tschechow, hat gesagt: "Du musst dich mit denen zusammentun, die dir ähnlich sind!" Meine Frau ist das dritte von sieben Kindern. Ich bin der achte von acht. Das heißt, von unserem Verständnis, wie das Leben so läuft, sind wir uns ähnlich. Und wir nehmen uns selbst nicht so wichtig. Es gibt auch noch eine Welt um einen herum, das sollte man nie vergessen. Eitelkeit ist doch irgendwie eine Form von Dummheit, oder? Wir gönnen uns genseitig den Raum. Und wir lernen voneinander. Das ist etwas Wunderbares.

Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf Joyn.de ('Behind the Screens' Deutschland) veröffentlicht.


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