"Perspektiven des Todes"
33 Jahre in US-Haft: Ist Jens Söring ein zweifacher Mörder oder unschuldig?
Aktualisiert:
von Claudia FrickelJens Söring gesteht den Mord an den Eltern seiner Freundin. Obwohl er sein Geständnis später widerruft, kommt er erst nach 33 Jahren frei. Die True-Crime-Doku-Reihe "Perspektiven des Todes" bei Kabel Eins erzählt die Geschichte eines blutigen Doppelmordes, von Liebe, Verrat und Widersprüchen.
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Der Fall Jens Söring: Wieso sitzt der Mann über 30 Jahre im Gefängnis?
Am 26. November 2019 wird Jens Söring aus dem "Buckingham Correctional Center" im US-Bundesstaat Virginia entlassen - nach 33 Jahren, sechs Monaten und 25 Tagen im Gefängnis. Der verurteilte Doppelmörder ist 53 Jahre alt: Damit hat er mehr als die Hälfte seines Lebens hinter Gittern verbracht.
Begnadigt wird er aber nicht, sondern nach Deutschland abgeschoben. Es gibt Zweifel an seiner Schuld, dazu kommt öffentlicher Druck: Viele Jahre lang setzen sich Politiker:innen und andere Unterstützer:innen für seine Freilassung ein. 2017 reist sogar der damalige Bundespräsident Christian Wulff in die USA.
Der Fall wirft bis heute viele Fragen auf. Es gibt viele Indizien, die für seine Schuld sprechen - aber auch einige Argumente dagegen. Der Mann bestreitet, dass er ein Mörder ist, aber zuvor hatte er mehrmals gestanden.
Er und seine Ex-Freundin beschuldigen sich Jahre nach der blutigen Tat gegenseitig. Aber was ist eigentlich geschehen? Den ganzen Fall rollt die True-Crime-Doku-Reihe "Perspektiven des Todes" auf, die du oben anschauen kannst.
Jens Söring schrieb nach seiner Entlassung ein Buch über sein Leben. Das Bild zeigt ihn bei einem Interview 2021.
Bild: picture alliance / Geisler-Fotopress
Der grausame Mord am Ehepaar Haysom und wie Söring unter Verdacht gerät
Jens Söring kommt 1966 als Sohn eines deutschen Diplomaten im thailändischen Bangkok zur Welt. Seine Eltern ziehen mit dem Jungen in die USA. 1984 beginnt der 18-Jährige ein Psychologiestudium an der Universität von Virginia. Dort trifft er die zwei Jahre ältere Kanadierin Elizabeth Haysom, die beiden werden ein Paar.
Am 30. März 1985 geschieht ein furchtbares Verbrechen an den Eltern der Frau: Nancy und Derek Haysom werden in ihrem Haus mit unzähligen Messerstichen attackiert, beiden wird die Kehle durchgeschnitten. Die Spuren deuten darauf hin, dass die Opfer nicht überrascht wurden, sondern den oder die Täter:innen kannten.
Eine Nachbarin entdeckt die Leichen mehrere Tage später. Es gibt keine Zeug:innen oder Fingerabdrücke, die Tatwaffe ist verschwunden. Die Ermittler:innen sichern am Tatort aber Blutspuren und einen Sockenabdruck mit Blut der Blutgruppe 0. Es stammt nicht von den Eheleuten. Söring, der Blutgruppe 0 hat, gerät ins Visier der Fahnder:innen.
Die Polizei befragt außerdem die Familienmitglieder - und findet das Verhalten der Tochter seltsam. Angeblich waren sie und Söring in der Mordnacht in einem Hotel in Washington, D. C. Doch der Kilometerstand ihres Mietwagens ist viel höher, als es mit der angeblich zurückgelegten Strecke möglich ist.
Bei der Vernehmung durch die Polizei will Söring keine Aussage machen. Im Gegensatz zu Haysom gibt er auch keine Finger-, Fußabdrücke sowie eine Blutprobe ab. Er entzieht sich, indem er das Land verlässt.
Haysom folgt einen Tag später und trifft ihren Freund im Oktober 1985 in Paris. Zuvor leeren Söring und seine Freundin ihre Bankkonten und wischen Fingerabdrücke aus seinem Auto und der gemeinsamen Wohnung. Dann reisen sie monatelang in Asien und Europa umher. Ihr Leben finanzieren sie mit Scheckbetrug.
Festnahme und Prozess: Was gegen Söring spricht - und was für ihn
Ende April 1986 werden Söring und Haysom von einer Londoner Ladendetektivin bei einer Betrugsmasche ertappt. Sie werden festgenommen und landen in Untersuchungshaft.
Das Paar tritt unter falschen Namen auf. Doch dann gibt Söring seine Einwilligung zu einer Durchsuchung der gemeinsamen Wohnung.
Die Polizist:innen stoßen auf Briefe des Paars aus den Monaten vor dem Mord und ein gemeinsames Reisetagebuch. Darin finden sich Stellen, die als Anspielungen auf eine Gewalttat und Gewaltfantasien gedeutet werden können. Haysom erwähnt mehrmals, wie sehr sie ihre Eltern hasst und dass sie ihnen den Tod wünscht.
Söring gesteht die Morde schließlich gegenüber mehreren Ermittler:innen und Psychiatern aus Großbritannien sowie einem Staatsanwalt aus Deutschland. Er beschreibt die Wunden der Opfer, erklärt, wie er ihnen die Kehlen durchgeschnitten und sich danach im Bad das Blut abgewaschen hat. All das stimmt mit den Spuren überein.
Haysom wird zuerst in die USA ausgeliefert, später auch Söring. Vor Gericht beschuldigt die Frau ihren Ex-Freund des Mordes und erklärt, dass sie ihn dazu angestiftet hat. Dafür wird sie zu 90 Jahren Haft verurteilt. Auch sie kommt 2019 frei und wird in ihr Heimatland Kanada abgeschoben.
Der Prozess gegen Söring beginnt 1990. Er ist einer der ersten, die landesweit im Fernsehen übertragen werden. Der Deutsche wird von vielen Medien als "German Monster" bezeichnet. Anders als vorher beteuert er nun seine Unschuld - und bleibt bis heute dabei. Haysom habe die Morde begangen und er habe nur ein Geständnis abgelegt, um sie vor der Todesstrafe zu bewahren. Details zu den Taten kenne er nur, weil sie ihm davon erzählt habe.
Während Jens Sörings Prozess behauptet ein Zeuge, er habe bei der Beerdigung der Haysoms schwere Prellungen in Sörings Gesicht gesehen. Eine andere Zeugin sagt hingegen aus, sie habe keine Wunden bemerkt. Das bestätigen auch die Ermittler, die bei der Beerdigung anwesend waren.
Vor Gericht widerruft Söring sein Geständnis und beteuert seine Unschuld. Zudem sagt er unter Eid aus, dass einer der Ermittler Haysom gedroht und ihn selbst massiv unter Druck gesetzt habe. Der Ermittler widerspricht, ebenfalls unter Eid. Dann wird Söring zu zwei lebenslangen Haftstrafen verurteilt, die er laut Gericht hintereinander antreten solle. 33 Jahre sitzt er ab.
Aber wurden die DNA-Spuren am Tatort korrekt ausgewertet? Die forensische Analyse ist in den 1980er-Jahren noch nicht ausgereift. Die Untersuchung wird später nachgeholt. Das Ergebnis: Das DNA-Profil ist ein anderes als Sörings, er wird als Quelle ausgeschlossen. Später werden diese Ergebnisse infrage gestellt – die Proben könnten kontaminiert oder vermischt worden sein. Erneute Untersuchungen der Proben im Jahr 2022 durch Prof. Dr. Thomas McClintock räumen diese Zweifel aus.
Wieso Sörings Geständnis Fragen aufwirft, warum er dachte, dass er als Diplomatensohn geschützt ist, und ob es sich um einen Justizirrtum handeln könnte, siehst du in der Episode von "Perspektiven des Todes".
"Perspektiven des Todes" freitags bei Kabel Eins und auf Joyn
Die True-Crime-Serie "Perspektiven des Todes" betrachtet schockierende Schwerverbrechen aus ungewohnten Blickwinkeln. Jede Folge will eine individuelle Sichtweise auf den Fall eröffnen, sei es durch die Augen von Ermittler:innen, des Opfers oder sogar der Täter:innen.
Schau dir hier die Sendung zu Jens Söring an
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf Joyn.de ('Behind the Screens' Deutschland) veröffentlicht.
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