Spektakulärer Kriminal-Fall
Walter Sedlmayr: Der bestialische Mord an einem Volksschauspieler - und wie dadurch sein Doppelleben ans Licht kam
Aktualisiert:
von Claudia FrickelDer brutale Mord an Walter Sedlmayr schockiert 1990 ganz Deutschland - auch deshalb, weil erst dann das tragische Doppelleben des beliebten bayerischen Volksschauspielers bekannt wird. Daraus entwickelt sich einer der spektakulärsten Kriminalfälle des Landes. Einige Fragen sind bis heute offen.
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Der grausame Mord an Walter Sedlmayr und die falschen Spuren
Am 15. Juli 1990 findet sein Privatsekretär die Leiche von Walter Sedlmayr in dessen Münchner Wohnung. Der 64-Jährige liegt nackt, gefesselt und bäuchlings auf seinem Bett, die Wand hinter ihm ist voller Blutspritzer. Sein Körper ist mit Wunden übersät: Offenbar wurde er vor seinem Tod mit Messerstichen in Hals und Nieren gefoltert. Der oder die Täter töten ihn von hinten, mit Hammerschlägen auf den Kopf. Die Obduktion ergibt, dass das Verbrechen am Tag zuvor geschehen ist.
Am Tatort entdecken Polizist:innen Gegenstände wie eine Lederpeitsche und Kondome. Hat die schreckliche Tat etwas mit Sado-Maso-Praktiken zu tun? Es kommt ans Licht, dass Sedlmayr regelmäßig mit männlichen Prostituierten verkehrte. Für die Polizei scheint klar zu sein: Der Mörder stammt aus dieser Szene. Boulevardzeitungen stürzen sich darauf und sprechen von "Stricher-Mord" und "Homo-Mord"..
Die Ermittler:innen tappen lange im Dunkeln, obwohl sie V-Männer einsetzen und mehr als 50 Personen in der Rotlichtszene befragen. Der Fall ist etwas Besonderes: Er ist einer der ersten in Deutschland, bei denen DNA-Spuren relevant sind. Sie stammen von Zigarettenstummeln, die in Sedlmayrs Wohnung gefunden wurden. Weil die deutschen Behörden nicht erfahren genug sind, reisen Beamt:innen sogar zu Scotland Yard in London, um DNA-Analysen durchzuführen.
Dann stellt die Rechtsmedizin fest, dass Sedlmayr vor seinem Tod keinen Geschlechtsverkehr hatte. Es kommen Zweifel an der These auf, dass die Tat etwas mit einem sexuellen Motiv zu tun hatte. Keiner seiner Bekannten weiß etwas von Sado-Maso-Praktiken. Hat der Täter den Tatort inszeniert, um die Ermittler:innen in die Irre zu führen?
Zwischenzeitlich gerät der Privatsekretär wegen eines dilettantisch gefälschten Testaments unter Verdacht. Er wird wegen Urkundenfälschung verurteilt, aber der Mörder ist er nicht. Das rätselhafte Verbrechen bleibt lange ungelöst. Erst knapp ein Jahr später gibt es eine überraschende Wendung - und die Polizei verhaftet zwei Männer. Wie es dazu kam und wieso es so lange dauerte, siehst du in den neuen Folgen der True-Crime-Doku-Serie "Deutschlands spektakulärste Kriminalfälle".
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Sedlmayrs Image als Urbayer - und warum er seine Homosexualität verbarg
Nicht nur der Mord am bekannten Schauspieler entsetzt die Öffentlichkeit. Erst durch die Untersuchung des Verbrechens wird bekannt, dass Walter Sedlmayr schwul war. Tragisch: Das hatte er bis dahin geheim gehalten.
Kein Wunder: Erst ab 1994 war Homosexualität in Deutschland nicht mehr strafbar, als der Paragraf 175 des Strafgesetzbuchs abgeschafft wurde. In den 1980er- und 1990er-Jahren war Schwul- und Lesbisch-Sein stigmatisiert. Ein Coming-out hätte Seldmayrs Image stark erschüttert. Und genau das passiert nach seinem Tod auch: Dass ausgerechnet er schwul und nicht der war, als der er sich gab, überraschte viele.
Schließlich verkörperte er einen Urbayern: konservativ, heimatverbunden und traditionell. Nach außen hin trat er als "gestandenes Mannsbild" auf - mit rustikalem Humor und volkstümlicher Attitüde. Die Rolle als Münchner Grantler mit Herz und Charme war Walter Sedlmayr auf den Leib geschrieben. Er übernahm sie zum Beispiel in der Krimiserie "Polizeiinspektion 1", wo er in 129 Folgen den Ermittler Franz Schöninger mimte. Die Krimiserie lief von 1977 bis 1988 in der ARD.
Sedlmayr war in über 80 Filmen und Serien zu sehen und galt als einer der bekanntesten Schauspieler seiner Zeit. Er wurde 1926 in München geboren und trat nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst in Theatern der Stadt auf. In den 1940er- und 1950er-Jahren hatte er kleine Nebenrollen in Heimatfilmen mit Heinz Rühmann oder Lieselotte Pulver. Später drehte er mehrere Filme mit Regisseur Rainer Werner Fassbinder. In den 1970er-Jahren wurde Seldmayr immer bekannter.
Seit 1982 trat der Bayer jedes Jahr bei der traditionellen Starkbierprobe auf dem Münchner Nockherberg auf und las Politiker:innen beim sogenannten "Derblecken" die Leviten. Sedlmayr betrieb nebenbei ein bayerisches Restaurant in München und handelte mit Antiquitäten und Kunstgegenständen. Das machte ihn zum mehrfachen Millionär.
Ebenfalls bei "Deutschlands spektakulärste Kriminalfälle"
Walter Sedlmayr in seiner Rolle als Herr Kottnik, in der gleichnamigen Fernsehserie von 1974.
Bild: IMAGO/United Archives
Die Aufklärung des Mordes, der Indizienprozess und die offenen Fragen
Am 21. Mai 1991 verhaftet die Polizei Wolfgang W. und dessen Halbbruder Manfred L. Der damals 27-jährige W. gilt als Sedlmayrs Ziehsohn: Die beiden verband eine enge geschäftliche Beziehung. Der Schauspieler übertrug ihm die Leitung seiner 1989 eröffneten Gastwirtschaft "Zum Sedlymayr".
Doch 1990 kommt es offenbar zum Streit. Der Restaurantbesitzer wirft dem jüngeren Mann vor, ihn betrogen zu haben. Außerdem soll es um eine Erbschaft gegangen sein.
1993 werden W. und L. in einem Indizienprozess zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Verlobte eines der Täter hatte einem V-Mann erzählt, dass die Waffe aus ihrem Haushalt stammte. W. soll die Tat zudem Mithäftlingen gestanden haben. Sowohl die Frau als auch die Gefängnisinsassen widerrufen ihre Aussagen später.
Das Gericht stellt bei W. eine besondere Schwere der Schuld fest, er gilt als der Haupttäter. Das Motiv laut Urteil: Habgier und verletztes Vertrauen. Beide Männer bestreiten die Tat.
Eine Berufung wird 1994 abgelehnt. Die Halbbrüder versuchen mehrfach, das Verfahren wieder aufnehmen zu lassen, zuletzt 2005. Aber es kommt nie zu einer weiteren Verhandlung. W. wird 2007 und sein Halbbruder 2008 auf Bewährung aus der Haft entlassen.
Bis heute bleibt der Fall rätselhaft, und einige Fragen sind offen. Die extreme Gewalt des Mordes spricht dafür, dass die Täter von Hass und starken Emotionen getrieben wurden. Das führt zu Spekulationen, dass W. und der Schauspieler eine intime Beziehung gehabt haben könnten. Doch Beweise dafür gibt es nicht.
Darüber hinaus ordnen die Ermittler:innen 1998 einen in der Wohnung von Sedlmayr gefundenen Fingerabdruck einem vorbestraften Mann zu. Der hatte zuvor bestritten, dort gewesen zu sein - und war untergetaucht. Juristisch ins Wanken geraten ist das Urteil gegen W. und L. aber nie.
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Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf Joyn.de ('Behind the Screens' Deutschland) veröffentlicht.
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