Kampf gegen Todesstrafe

"Galileo" besucht Clive Stafford Smith: Anwalt rettet Hunderte aus dem Todestrakt

Aktualisiert:

von Claudia Frickel

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Der Anwalt der Hoffnung: 9 Fragen an Clive Stafford Smith

Videoclip • 12:02 Min • Ab 12


Seit 40 Jahren kämpft er gegen die Todesstrafe, seit 23 Jahren für die Auflösung des berüchtigten US-Gefangenenlagers Guantánamo: Einem britischen Menschenrechtsanwalt verdanken Hunderte Menschen ihr Leben. Bei "Galileo" erzählt er, was ihn antreibt.

So kämpft Clive Stafford Smith gegen die Todesstrafe und Guantánamo Bay

"In 400 meiner Fälle drohte die Todesstrafe", sagt Clive Stafford Smith. "98 Prozent davon habe ich gewonnen."  Doch was den Anwalt bis heute traurig macht, sind die wenigen Menschen, die er nicht retten kann: "Sechs habe ich verloren. Sie starben durch Gaskammern, elektrische Stühle und Giftspritzen."

Schon seit Mitte der 1980er-Jahre verteidigt der Brite Angeklagte in den USA, denen die Todesstrafe droht. 1999 gründet er die internationale Menschenrechtsorganisation Reprieve, die sich unter anderem für Gefangene in Todeszellen und Folteropfer einsetzt.

"Ich verbringe die meiste Zeit damit, Menschen zu helfen, die von der Gesellschaft gehasst werden", erzählt er bei "Galileo". Er möchte sie "vor diesem Hass schützen".

Einige seiner Fälle erregen weltweites Aufsehen. Darunter ist die Hinrichtung von Edward Earl Johnson, der 1987 in einer US-Gaskammer stirbt. Der afroamerikanische Mann wird im Alter von 18 Jahren wegen Mordes und Vergewaltigung verurteilt. Doch er beteuert bis zum Schluss seine Unschuld, belastende Beweise gibt es nicht.

Wir kämpfen weiter, bis wir jeden einzelnen Gefangenen freibekommen haben!

Anwalt Clive Stafford Smith über die Insassen des Gefängnisses Guantánamo

Der damals 28-jährige Clive Stafford Smith kämpft vergeblich für ein Gnadengesuch. Bei der Hinrichtung seines Mandanten ist er dabei: "Ich sehe das als meine Pflicht an", sagt er heute.

Bekannt ist Stafford Smith außerdem wegen seines unermüdlichen Einsatzes für die Gefangenen im US-Gefangenenlager Guantánamo. Schon kurz nach der Eröffnung 2002 reicht er mit Kollegen die erste Klage ein, um das Recht auf anwaltlichen Beistand für die Gefangenen zu erzwingen.

Insgesamt vertritt Stafford Smith über 80 Gefangene des Straflagers. So wie Moazzam Begg, mit dem den Anwalt heute eine Freundschaft verbindet.

Aber als beendet sieht er seine Aufgabe noch lange nicht an: "Wir kämpfen weiter, bis wir jeden einzelnen Gefangenen freibekommen haben!"

Was ist Guantánamo Bay und was passiert dort?

Das US-Gefangenenlager Guantánamo Bay befindet sich auf dem Gelände eines US-Marinestützpunkts in der Guantánamo-Bucht von Kuba. Die USA pachtet den dortigen Martinestützpunkt seit 1903. Doch seit der Revolution 1959 erkennt Kuba diese Vereinbarung nicht mehr an.

Die ersten Camps des Straflagers eröffnen die USA Anfang 2002. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 sollen dort Terrorverdächtige inhaftiert werden, in der Regel aus arabischen oder asiatischen Ländern. Die USA bieten Kopfgelder von bis zu 5.000 US-Dollar für die Ergreifung mutmaßlicher Terroristen. Das sorgt dafür, dass viele Unschuldige ins Visier geraten und verschleppt werden.

Die meisten werden nicht angeklagt und bekommen keinen fairen Prozess. Einige sind jahrelang eingesperrt, obwohl klar ist, dass sie unschuldig sind. Viele werden zudem gefoltert, zum Beispiel mit Waterboarding, Isolationshaft und Schlafentzug.

Insgesamt knapp 780 Gefangene sitzen im Lauf der Jahre dort ein. 765 von ihnen sind inzwischen frei, aber 15 sind immer noch dort, teilweise seit über 20 Jahren.

Anfangs behauptet die US-Regierung, dass Guantánamo außerhalb der USA liege und darum die Gesetze nicht gelten. Erst 2004 bestätigt der Supreme Court, dass dort US-Recht gilt und ausländische Insassen das Recht haben, ihre Haft anzufechten. Anlass ist die Klage von Stafford Smith und Kollegen.

Noch ist die Mission des Anwalts nicht erfüllt, dass das Gefängnis ein für allemal geschlossen wird. Anfang 2025 kündigt US-Präsident Donald Trump an, das Lager sogar auszubauen - um 30.000 illegal eingereiste Migrant:innen einzusperren. "Der Krieg ist nicht vorbei, aber wir haben einige Schlachten gewonnen", sagt Stafford Smith.

Gefangene beten 2015 in einem Zellblock in Guantánamo.

Bild: picture alliance / abaca


Ehemaliger Guantánamo-Gefangener: "Zum ersten Mal so etwas wie Hoffnung"

Der britische Staatsbürger Moazzam Begg ist einer der ersten Männer, die Clive Stafford Smith aus Guantánamo Bay befreit. Er wird in Pakistan verhaftet, nachdem jemand ihn als Terrorhelfer anprangert, um Kopfgeld zu kassieren.

Danach halten ihn die US-Behörden ohne Anklage drei Jahre lang fest, davon zwei in Guantánamo. Stafford Smith und die Reprieve-Organisation kämpfen für seine Freilassung. "Das Treffen mit ihm gab mir zum ersten Mal so etwas wie Hoffnung“, erzählt Begg. Anfang 2005 kann er nach Großbritannien zurückkehren.

Seine Tochter, die als Siebenjährige die Verhaftung des Vaters ansehen muss, wundert sich, warum er nicht weint, als er sie wiedersieht. "Ich hatte meine Tränen schon vergossen, ich habe drei Jahre lang geweint", erinnert sich Begg bei "Galileo".

Wie der Menschenrechtsanwalt es schaffte, den Gefangenen zu befreien, wie die beiden Freunde wurden und wie Stafford Smiths gewalttätiger Vater ihn inspiriert hatte, sich für zu Unrecht verfolgte Menschen einzusetzen, erfährst du in der "Galileo"-Reportage. Außerdem siehst du, wie in der Reprieve-Kommandozentrale in Südengland 60 junge Journalist:innen und Jurastudent:innen für die Rechte von Gefangenen kämpfen - darunter eine junge Deutsche.


Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf Joyn.de ('Behind the Screens' Deutschland) veröffentlicht.

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