"Under attack – wer Deutschland bedroht und wie wir uns wehren"

"Das ist total verrückt": Linda Zervakis greift in neuer Reportage zur Waffe

Aktualisiert:

von Claudia Frickel

Mit einem Automatikgewehr und einer Pistole schießt Linda Zervakis auf das Ziel – und ist dabei sichtlich mitgenommen. Die Reporterin will wissen, wie es sich anfühlt, Deutschland im Notfall mit der Waffe zu verteidigen. Außerdem zeigt "Under Attack", wie groß die Bedrohung wirklich ist.

Linda Zervakis auf dem Schießstand: "Freiwillig würde ich das nicht nochmal machen"

Zum ersten Mal in ihrem Leben hält Linda Zervakis ein Automatikgewehr in der Hand. Sami Pesonen zeigt ihr die richtige Haltung: Sie muss gerade stehen, ohne sich nach hinten zu lehnen. Der Mann ist eigentlich Ingenieur, organisiert aber in Finnland Reservistentrainings in der Nähe der russischen Grenze.

Und er bringt der deutschen Reporterin bei, wie sie auf Ziele schießt. Für ihn sind die Waffen "Werkzeuge". Sie dagegen findet: "Für mich als Mädchen aus Hamburg bleibt das ein Automatikgewehr.“ Am Ende legt sie die Waffe tatsächlich an die Schulter, legt den Finger an den Abzug und drückt ab.

Dann probiert sie es mit einer Pistole, weil die leichter in der Hand liegt. Weil sie gleich getroffen hat, bescheinigt ihr Pesonen ein "Naturtalent". Aber die 50-Jährige wirkt sichtlich mitgenommen. "Dass ich so etwas eines Tages mal handhabe, hätte ich nicht gedacht", erklärt sie. "Das ist total verrückt."

Sie hatte "ungeheuren Respekt" vor der Waffe in der Hand, erzählt Zervakis später in einem Interview. Ihr war klar, dass sie eine "Grenze überschreitet". Denn schließlich kann "man mit einer solchen Waffe einen Menschen töten".

Der Griff zu Pistole und Gewehr ist Teil ihrer Recherche für die Reportage "Under attack – wer Deutschland bedroht und wie wir uns wehren". Was passiert, wenn sich der Ukraine-Krieg doch ausweitet und Russland uns eines Tages angreift? Die Journalistin will verstehen, wie sich Bürger:innen und das Militär darauf vorbereiten. Unter anderem schaut sie bei einer Reservistenübung der Bundeswehr zu. Zivilist:innen können sich dabei in drei Wochen ausbilden lassen – und schießen während des Besuchs erstmals scharf.

Einerseits kann und will ich mich an das Geballer nicht gewöhnen. Andererseits: Wenn alle so drauf wären wie ich, könnten wir Putin gleich den Schlüssel zum Kanzleramt schicken.

Linda Zervakis

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Würde Zervakis im Ernstfall wieder ein Gewehr in die Hand nehmen? Ihre Antwort ist klar: "Freiwillig würde ich das nicht nochmal machen wollen." Gleichzeitig hofft sie, dass sich genug finden, die es tun würden – und hält das für eine "Scheiß-Einstellung".

Dabei ist sie nicht allein: Nur 16 Prozent der Deutschen würden im Kriegsfall "auf jeden Fall" zur Waffe greifen, weitere 22 Prozent "wahrscheinlich". Das ist das Ergebnis einer Forsa-Umfrage für das Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Die Reportage von Linda Zervakis befasst sich mit der Frage, wer Deutschland eigentlich verteidigen würde, ob das Land dazu bereit ist – und wie groß die Bedrohungslage tatsächlich ist. Außerdem siehst du, wie mulmig sich die Journalistin bei ihrer Schießübung fühlt. Schau dir die Sendung oben im Stream an.

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So viele Soldat:innen braucht Deutschland wirklich

Knapp 182.400 Menschen dienen derzeit bei der Bundeswehr als Berufs- und Zeitsoldaten. Darunter sind rund 10.800 freiwillig Wehrdienstleistende.

Im Ernstfall müssen auch Reservist:innen das Land verteidigen. Das sind ehemalige und freiwillige Soldat:innen, die auf Abruf bleiben, bis sie gebraucht werden. Aktuell gibt es knapp 55.000 beorderte Reservist:innen, heißt es beim Reservistenverband. Das sind Menschen, die im Verteidigungsfall eine konkrete Aufgabe haben und regelmäßig zu Übungen geladen werden.

Aber die Truppe soll auf Wunsch der NATO kräftig aufstocken: 260.000 aktive Soldat:innen sollen ab 2030 dazugehören – also mindestens 80.000 mehr als jetzt. Die Bundesregierung will dann außerdem auf 200.000 Reservist:innen setzen.


Wie gut kann sich Deutschland im Kriegsfall verteidigen?

"Die Welt um uns herum scheint irgendwie aus den Fugen geraten zu sein", sagt Linda Zervakis in ihrer "Under Attack"-Reportage. Während ihrer sechsmonatigen Recherche besucht sie unter anderem den Fliegerhorst Rostock-Laage, wo Deutschlands fliegende Grenzpatrouille stationiert ist.

Vier Eurofighter stehen rund um die Uhr vollgetankt und bewaffnet bereit, um den Luftraum über Ost- und Nordsee zu überwachen. Sie darf sogar im Cockpit einer Maschine Platz nehmen.

Doch dann erlebt die Reporterin einen echten Einsatz mit: Ein Alarm geht los und die Piloten rennen zu ihren Maschinen. Der Grund: Ein russisches Aufklärungsflugzeug ist in den deutschen Luftraum eingedrungen. Zum Glück stellt sich das Ganze nur als Routineeinsatz heraus.

Aber könnte sich Deutschland bei einem Luftangriff verteidigen? Das erklärt ein Militärexperte in der Sendung, die du oben im Stream ansehen kannst. Außerdem erfährst du, wie die Bundeswehr mit Hochdruck und mithilfe von Start-ups fieberhaft versucht, den technischen Rückstand aufzuholen.


Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf Joyn.de ('Behind the Screens' Deutschland) veröffentlicht.

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