Neue Reportage von Linda Zervakis
Bildungskrise in Deutschland: Ein Blick auf die aktuelle Lage
Aktualisiert:
von Claudia FrickelWarum ist der durchschnittliche deutsche Bildungsstand so schlecht? Linda Zervakis widmet sich dieser Frage in ihrer neuen Reportage.
Bild: ProSieben
Bei der letzten PISA-Studie schnitten deutsche Schüler:innen so schlecht ab wie nie zuvor, mindestens ein Viertel erfüllt nicht einmal die Mindeststandards bei Lesen, Mathe und Naturwissenschaften. Aber was sind die Gründe dafür? Linda Zervakis forscht nach.
Bildung: Das miese PISA-Zeugnis für Deutschland
Wenn es um die Ergebnisse der PISA-Studien geht, steht Deutschland ziemlich schlecht da – und wird sogar immer schlechter. Asiatische Länder wie Singapur, Macao, Taiwan, Hongkong, Japan, China und Südkorea spielen mit den besten PISA-Ergebnissen in einer ganz anderen Liga. Aber auch in Estland, der Schweiz, Kanada, den Niederlanden oder Irland läuft es gut.
Und Deutschland? Wir landen bei der aktuellsten PISA-Studie von 2022 nur im Mittelfeld. Es kommt noch schlimmer: Unsere Schüler:innen schneiden so schlecht ab wie nie zuvor.
In allen drei getesteten Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen erzielen deutsche Jugendliche die niedrigsten Ergebnisse, die bei den bis dahin acht PISA-Erhebungen gemessen wurden. Besonders dramatisch stürzen sie in Mathematik ab.
Die Forscher:innen stellen auch fest: Die Mathe-Leistungen sind schlechter, je größer die Personalnot an der jeweiligen Schule ist. Je nach Bundesland fällt an deutschen Schulen bis zu 15 Prozent des Unterrichts aus.
Besonders alarmierend: Beim Lesen und in den Naturwissenschaften schafft ein Viertel die Mindestanforderungen nicht. In Mathematik ist es sogar ein Drittel. "Das sind jedes Jahr 230.000 Jugendliche", rechnet Bildungsforscher Olaf Köller im Gespräch mit Linda Zervakis vor. Wegen ihrer niedrigen Kompetenzen würden sie anschließend auch keinen Ausbildungsplatz bekommen.
Wenn wir in der Kita und in der Schule Kinder benachteiligen, die es ohnehin schon schwer haben, dann entsteht Ungerechtigkeit.
Aber woran liegt diese Misere eigentlich? Warum wird es immer schlimmer statt besser? Linda Zervakis begibt sich in ihrer Reportage "Dumm, dümmer, Deutschland? Raus aus der Bildungskrise!" auf Spurensuche – und sucht nach Lösungen.
Sie spricht mit Schüler:innen, Bildungs-Expert:innen und besucht Schulen und Länder, die ganz andere Ansätze bei der Bildung verfolgen. Außerdem stellt sie Erwachsene auf die Probe: Würden sie bei den PISA-Tests besser abschneiden?
Unser Schulsystem hat ein riesiges Problem
Lehrermangel, veraltete Strukturen, fehlende Ausstattung: Das sind die Gründe für die Bildungskrise
Deutschland hat beim Thema Bildung Probleme an allen Ecken und Enden:
Lehrermangel: Es fehlen Tausende Lehrer:innen. Wie viele es genau sind? Dazu gibt es unterschiedliche Schätzungen. Die Kultusministerkonferenz geht davon aus, dass bis 2035 etwa 49.000 ausgebildete Lehrkräfte mehr gebraucht werden, um alle Stellen zu besetzen, heißt es beim Schulportal der Robert-Bosch-Stiftung. Maike Finnern, Vorsitzende der Lehrer-Gewerkschaft GEW nennt bei Linda Zervakis die Zahl von fehlenden 85.000 Lehrkräften bis 2035. Es gibt mehrere Gründe dafür: Immer weniger Menschen entscheiden sich für den Beruf, viele geben auf und die Lehrer:innen der Babyboomer-Generation gehen in den Ruhestand. Seit den 2010er-Jahren gibt es aber gleichzeitig einen Babyboom, der zu steigenden Zahlen von Schüler:innen führt.
Regionale Unterschiede: Die Unterrichtsversorgung ist regional sehr unterschiedlich. Vor allem in ländlichen Gebieten finden die Schulen oft keine Bewerber:innen.
Soziale Herkunft zu wichtig: Deutschland gehört laut OECD zu den Ländern, in denen die soziale Herkunft den Bildungserfolg besonders stark bestimmt. Die Empfehlung für das Gymnasium etwa hängt nicht nur von der Leistung, sondern auch von der Herkunft ab. Kinder aus bildungsfernen Familien oder mit Migrationshintergrund landen überdurchschnittlich oft in Haupt- oder Förderschulen.
Gegliedertes Schulsystem: Die Schulaufteilung nach der Grundschule gilt als ein wesentlicher Grund, warum Deutschland im internationalen Vergleich schlecht abschneidet: Sie verstärkt soziale Ungleichheiten und nimmt Kindern früh Chancen auf höhere Abschlüsse. Das deutsche Schulsystem ist weniger flexibel als in Ländern mit integrierten Schulsystemen, wie beispielsweise in Finnland oder Kanada. Kinder lernen dort länger gemeinsam und gleichen Unterschiede später aus – und schneiden bei PISA besser ab.
Föderalismus: Bildung ist in Deutschland Ländersache. Jedes Bundesland geht seinen eigenen Weg und setzt andere Strategien um. In Bayern und NRW gilt etwa G9 mit 13 Schuljahren, in Hamburg und Berlin G8 mit zwölf. Die Grundschule dauert überall vier Jahre, nur in Berlin und Brandenburg sechs Jahre. Auch bei Noten kocht jedes Bundesland sein eigenes Süppchen. In Bremen und Berlin gibt es erst ab Klasse 3 Schulnoten von 1 bis 6, in Bayern ab Klasse 2.
Was steckt eigentlich hinter den PISA-Studien?
Das Ziel der PISA-Studie ist es, die Fähigkeiten von Schüler:innen weltweit zu messen und die Leistungsfähigkeit der Bildungssysteme zu vergleichen. Die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) untersucht dafür alle drei Jahre die Kompetenzen von 15-Jährigen. Im Mittelpunkt stehen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften. Die erste Studie fand im Jahr 2000 statt. Schon damals erlebte Deutschland einen "PISA-Schock", wie sich Linda Zervakis erinnert.
Die Abkürzung PISA steht für "Programme for International Student Assessment". Auf Deutsch bedeutet das: Programm zur internationalen Schülerbewertung.
Die jüngste PISA-Erhebung lief 2025, die Ergebnisse werden aber erst 2026 veröffentlicht. 690.000 Neuntklässler:innen wurden getestet. Inzwischen nehmen 81 Länder teil. Darunter sind die 38 OECD-Mitgliedsstaaten, also überwiegend wirtschaftlich entwickelte Demokratien aus Europa, Nordamerika, Asien und Ozeanien. Dazu kommen Nicht-OECD-Länder wie Brasilien, Indien, Indonesien, China und Südafrika.
Hier kannst du die Reportage anschauen
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Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf Joyn.de ('Behind the Screens' Deutschland) veröffentlicht.
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