Refugium zwischen Stacheldraht
Tödlich für Menschen, ein Paradies für Wildtiere: Ein Besuch in Koreas Todeszone
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von Julia WolferAuch die seltenen Mandschurenkraniche haben sich in der koreanischen Todeszone niedergelassen (Symbolbild).
Bild: Imago Images / ITAR-TASS
Die Demilitarisierte Zone (DMZ) gilt als eine der gefährlichsten Regionen der Welt. Für Menschen ist sie auch Jahrzehnte nach Ende des Krieges noch lebensgefährlich - für Tiere und Pflanzen hingegen ein Paradies. In den Dokus von "Real Stories" erfährst du, wie in der DMZ ein einzigartiges Refugium für bedrohte Arten entstehen konnte.
Ein schmaler, 240 Kilometer langer Streifen zieht sich quer über die koreanische Halbinsel, gesäumt von Stacheldraht, Minen und Wachtürmen. Die Demilitarisierte Zone - kurz DMZ - ist das Sinnbild der Teilung Koreas.
Sie gilt als eine der gefährlichsten Regionen der Welt und wird streng bewacht. Als US-Präsident Bill Clinton sie 2003 von einem Observatorium aus überblickte, nannte er sie "den furchteinflößendsten Ort der Welt".
Wer die Zone betritt, riskiert sein Leben - doch wo Menschen seit Jahrzehnten fernbleiben, konnte sich die Natur zu einem Paradies von einzigartiger Vielfalt entwickeln.
Ein Naturparadies aus dem Krieg geboren
Von 1950 bis 1953 lieferten sich Nord- und Südkorea erbitterte Gefechte, unterstützt von ihren jeweiligen Verbündeten im Kalten Krieg. Mehr als drei Millionen Menschen starben, Millionen Familien wurden auseinandergerissen.
In diesen drei Jahren fielen auf Korea mehr Bomben als im gesamten Pazifik während des Zweiten Weltkrieges. Bombardierungen, chemische Kampfstoffe und sogar der Einsatz von Napalm verwüsteten weite Teile des Landes.
Am Ende wurde kein Friedensvertrag geschlossen - nur ein Waffenstillstand. Die Frontlinie erstarrte entlang des 38. Breitengrads, wo eine vier Kilometer breite Pufferzone geschaffen wurde: die DMZ. Seit bald sieben Jahrzehnten trennt sie Nord- und Südkorea. Formell dauert der Koreakrieg noch immer an.
Abgeschottete Wildnis
Politisch ist sie bis heute ein Symbol ungelöster Feindschaft, eine Narbe inmitten der koreanischen Halbinsel. Schätzungsweise über eine Million Landminen liegen noch immer im Boden der Todeszone - ein permanentes Risiko für jeden Menschen, der sich nähert.
Doch für Tiere und Pflanzen erwies sich die Abwesenheit der Menschen als Segen. Nach den Gefechten des Krieges blieb das Gebiet für Jahrzehnte unberührt. Keine Landwirtschaft, keine Industrie, keine Siedlungen - ein einzigartiges Refugium in einem Land, das ansonsten dicht besiedelt ist.
Während Südkoreas Hauptstadt Seoul heute 25 Millionen Menschen beherbergt - die Hälfte der südkoreanischen Bevölkerung - ist die DMZ zu einer weitgehend unberührten Wildnis geworden.
Heimkehr der Kraniche - ein Symbol für den Wandel
Ein Symbol für den Wandel der DMZ war die Rückkehr der Kraniche. In Korea gelten sie als Zeichen für Frieden. Als 1961 erstmals die extrem seltenen Mandschurenkraniche in die Zone zurückkehrten, war das ein Hoffnungsschimmer - und der Beginn einer erstaunlichen Renaturierung. Ein Drittel aller Mandschurenkraniche weltweit ist heute auf ihrer Reise aus Sibirien und der Mongolei von den Sumpfgebieten der DMZ abhängig.
Der vier Kilometer breite Landstrich, der vom Gelben Meer im Westen zum Japanischen Meer im Osten reicht, umfasst auf seinen 600 Quadratkilometern Berge, Wälder, Sümpfe, Flüsse und Küstenabschnitte - fast alle Landschaftsformen der koreanischen Halbinsel auf engstem Raum.
Zwei Drittel aller bekannten Tier- und Pflanzenarten Koreas sollen hier vorkommen. Über hundert verschiedene Fischarten, 45 Amphibien- und Reptilienarten sowie über 1.000 Insektenspezies fanden hier ein Zuhause. Die DMZ ist wie ein Kondensat der koreanischen Natur vor der Industrialisierung.
Die Todeszone: Ein Refugium für bedrohte Arten
Die Narben des Krieges hat die Natur in neue Lebensräume verwandelt. Bombenkrater füllten sich mit Wasser und wurden zu Tümpeln, in denen Winkerkrabben ganze Kolonien bildeten. Ehemalige Schützengräben sind heute Brutplätze für Amphibien. Und verlassene Inseln dienen seltenen Vögeln wie dem Schwarzstirnlöffler als Nistplätze - allein auf einer kleinen Insel leben heute rund 50 Exemplare dieser stark bedrohten Art.
Auch andere bedrohte Tiere finden hier Zuflucht: der Langschwanzgoral, eine seltene Bergziege, Asiatische Schwarzbären oder Moschushirsche. Gelegentlich gibt es sogar Berichte von Amurleoparden und Sibirischen Tigern. Dank der Abgeschiedenheit gedeihen auch Wildschweine prächtig - nirgendwo in Korea leben mehr als in der DMZ.
Doch die Zukunft dieses einzigartigen Refugiums bleibt ungewiss. Jede militärische Eskalation könnte den sensiblen Lebensraum erneut zerstören. Gleichzeitig wächst der Druck durch die urbane Ausbreitung Seouls. Und solange ein Friedensvertrag aussteht, bleibt die DMZ ein Ort permanenter Spannung - und großer Hoffnung.
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf Joyn.de ('Behind the Screens' Deutschland) veröffentlicht.
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