Exklusives Interview

Glaubens-Experiment: So erlebte Atheistin und Transfrau Josimelonie den Alltag mit verschiedenen Religionen

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Vergangenes Jahr verbrachte Josimelonie (dritte von links) ein paar Tage in einer WG mit Menschen unterschiedlicher Religionen. Nun trifft sie sie wieder.

Bild: ZDF und Maximilian von Lachner


Im ZDF-Dreiteiler "Göttlich gute Freunde" besucht Josimelonie fünf junge Menschen verschiedener Religionen und erlebt ihren Glauben direkt im Alltag. Im Interview erzählt die 31-Jährige, warum sie sich auf diese sehr persönlichen Begegnungen eingelassen hat - und was sie dabei über Religion, Gemeinschaft und Freundschaft gelernt hat.

Sie glauben selbst nicht an Gott. Warum wollten Sie sich trotzdem auf das Experiment einlassen?

Josimelonie: Ich hätte mich für ein Format über Glauben eigentlich nie beworben. Aber die Produzent:innen haben mich im Gespräch so begeistert, dass ich unbedingt dabei sein wollte. Ich hatte das Gefühl, dass Deutschland diese Diskussion über Religion braucht. Anfangs dachte ich, das wird trocken und langweilig - am Ende war es aber emotional, augenöffnend und hat mir eine ganz andere Welt gezeigt. Jede:r sollte so ein Glaubens-Experiment einmal ausprobieren.

Wie lange sind Sie schon Atheistin - und warum?

Josimelonie: Wahrscheinlich war ich im Herzen schon immer Atheistin, obwohl ich katholisch getauft wurde und auch die Kommunion hatte. Schon bei der Konfirmation habe ich nicht wirklich geglaubt. Ich konnte mit dem Weltbild, dass da oben jemand ist, nichts anfangen. Das fühlte sich für mich an wie an Geister zu glauben - das passte nicht zu mir.

Sie treffen in der Reihe Menschen wieder, die Sie schon aus der "Against All Gods"-WG kennen. Wie war das Wiedersehen: eher neugierig oder vorsichtig?

Josimelonie: Das Wiedersehen war für mich wunderbar. Ich habe mich sehr gefreut, alle wiederzusehen, weil wir eine sehr emotionale Woche zusammen hatten, die uns zusammengeschweißt hat. Gleichzeitig hatte ich Bammel davor, manche zum ersten Mal alleine zu treffen, weil wir bisher nur als Gruppe unterwegs waren. Ich war also durchaus aufgeregt.


Sie haben sehr unterschiedliche religiöse Welten betreten - vom buddhistischen Retreat bis zur Moschee. Welche Begegnung hat Sie am meisten überrascht?

Josimelonie: Für mich war das Tragen des Hijabs die krasseste Erfahrung. Ich würde im Alltag nie einfach so einen Hijab anziehen. Trotz meines Unglaubens versuche ich, respektvoll gegenüber Glaubenspraktiken zu sein - deswegen wäre ich nie von selbst auf diese Idee gekommen. Gerade als trans Person bedeuten Haare für mich Weiblichkeit und Freiheit. Ein Hijab fühlte sich anfangs wie Verkleiden oder Verstecken an. Aber je länger ich ihn trug, desto mehr merkte ich, wie angenehm und befreiend er sein kann. Seitdem sehe ich Frauen mit Hijab auf der Straße mit anderen Augen.

Sie waren auch beim jüdischen Sederabend dabei. Wie war das für Sie?

Josimelonie: Der Sederabend war sehr lang - aber das Essen war lecker. Die vielen Rituale haben mir wieder gezeigt, warum Religion nichts für mich ist. Ich bin dafür zu ungeduldig. Trotzdem war es ein schöner Abend.

In der Einleitung des Films heißt es: "Unterschiede kann man nicht weglächeln." Gab es einen Moment, in dem Sie das besonders gespürt haben?

Josimelonie: Ja, als ich Omar besuchte und wir im Koranunterricht waren. Der Imam sprach wunderschön von der Gleichheit aller Menschen. Aber als ich ihn nach seiner Meinung zu gleichgeschlechtlichen Paaren fragte, nannte er es Sünde. Da wurde mir klar, dass für ihn eben doch nicht alle Menschen gleich sind. Das war hart, weil solche Werte in meinem Freundeskreis keinen Platz haben. Es hat auch Omar und mich gespalten, weil er diese Werte teilt.

Kann man mit Menschen befreundet sein, die solche Grundwerte nicht teilen?

Josimelonie: Ich glaube, man kann sich auf Augenhöhe begegnen - aber sie wären nie Teil meines engen Freundeskreises.

Hat sich Ihr Blick auf Religion, Glauben oder Spiritualität nach diesen Begegnungen verändert - oder vielleicht sogar auf Sie selbst?

Josimelonie: Ja. Manchmal frage ich mich, warum ich nicht glauben kann, weil ich das Gemeinschaftsgefühl schön finde, das mir als Atheistin fehlt. In der queeren Community sehe ich das auch, aber es ist nicht dasselbe. Trotzdem glaube ich, dass Religion oft nur die Suche nach dem Sinn des Lebens ist - eine Erklärung für etwas Unerklärliches. Ich kann aber nicht nachempfinden, wie man eine Wahrheit in etwas sehen kann, das für mich nicht existiert.

Sie sind als Influencerin jemand, der gern polarisiert. Gab es Situationen, in denen Sie sich bewusst zurücknehmen oder anpassen mussten?

Josimelonie: Ja, die ganze Zeit. Ich habe versucht, respektvoll zu sein, auch wenn ich mir oft dachte: Was für ein Unsinn wird hier gerade gesagt? Aber ich habe akzeptiert, dass andere das anders sehen, und gleichzeitig hinterfragt.


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Gibt es etwas aus einer Religion - ein Ritual, ein Gedanke oder eine Haltung - das Sie für sich mitgenommen haben, obwohl Sie nicht glauben?

Josimelonie: Schwierig. Im Buddhismus ist mir das Retreat extrem schwergefallen - das war fast Folter für mich. Das würde ich nicht in meinen Alltag übernehmen. Aber ich habe gemerkt, dass ich religiös geprägte Rituale wie Beerdigungen oder die Ehe schön finde. Ich würde auch gern in einer Kirche heiraten - aber nicht kirchlich, solange nicht alle Menschen dort gleichberechtigt sind.

Wäre eine Welt ohne Religionen aus Ihrer Sicht besser?

Josimelonie: Ich glaube, eine Welt ohne Religion wäre besser - aber nicht ohne Glauben. Religion ist für mich eine Institution mit Regeln aus einem patriarchalen System, das tausende Jahre alt ist und gefährlich sein kann. Aber Glaube hilft vielen Menschen, und jeder sollte glauben dürfen. Trotzdem müssen wir religiöse Schriften hinterfragen und sie im 21. Jahrhundert mit neuen Augen betrachten.


Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf Joyn.de ('Behind the Screens' Deutschland) veröffentlicht.

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